Was heißt »verdammt«? Das heißt für die Milliardäre, dass dieser in die Jahre gekommene Überbau der Gesellschaft, der Staat, mit seinem Getue um soziale Gerechtigkeit, Rüstungskontrolle, Verbraucherschutz und Umweltschutz zum Hemmklotz für die Produktivkraftentwicklung geworden ist. Das angehäufte Kapital ist bereit, sich von den Fesseln dieser halbherzigen Demokratie zu befreien, um zum Mars zu fliegen, die Welt technisch zu verzaubern, wie einst die Dampfmaschine und später die Elektrifizierung zu Beginn des jungen Kapitalismus.
Wir wollten privatkapitalistisch agieren und gleichzeitig sozial sein, Kohle machen und gleichzeitig das Töten billigend in Kauf nehmen. Das ist nicht neu, katholischer und protestantischer Glaube hatten dafür immer gute Rechtfertigungsgründe geliefert. Diese Inkonsequenz zur Entscheidung zwischen den beiden Reichen (6) hat das Töten nie enden lassen. »Gott ist tot, wir haben ihn getötet« war aber gestern. Heute befinden wir uns im freien Fall. Wo auf den Fallschirmen einst wenigstens noch »Hoffnung« draufstand, versprechen die neuen Labels auf den Schirmen der Big Tech, der Banken und Vermögensverwalter wie BlackRock und Allianz mit Sicherheit eine tödliche Landung.
»Es lebe die Freiheit, verdammt!«
Die Demokratie haben wir zerredet und mangels Wissenschaftlichkeit verpeilt, um uns nun in einer liberalen Oligarchie die Welt da draußen plausibel zu erklären. »Das Liberale an dieser Oligarchie ist die Obsession des Westens, Minderheiten zu schützen. Dabei denkt man meistens an Unterdrückte, schwarze Menschen oder Homosexuelle, doch die am besten geschützte Minderheit im Westen sind mit Sicherheit die Reichen, welche 1 Prozent, 0,1 Prozent oder 0,01 Prozent der Bevölkerung ausmachen.« (7)
Die unverändert währenden Kriege um den Anspruch, die Freiheit des anderen zu bestimmen, sind der Beweis für die Illusion, man könne mit Vernunft die Produktivkräfte zähmen und sie für friedliche Zwecke nutzen.
Eine weitere Illusion ist die der Diplomatie. Verhandlungen mit den Verächtern des Lebens, wie Assad, Bolsonaro, Milei, Netanjahu, Putin, Trump u.v.a., verschieben die Katastrophe nur auf später. Das Dilemma in dieser Beziehung bleibt das Gleiche: Reden und Süßholz raspeln auf der einen Seite und Waffensysteme, Halbleiter und seltene Erden auf der anderen Seite. Man dient zwei Herren.
So gibt es nur einen Minimalprotest des Mainstreams anstatt der Umkehr: ›Ich wollte nicht mehr das Etablierte wählen, sondern einen Wechsel – selbst, wenn mir der Rainer Zufall als Person gar nicht zusagt …‹ – und dabei schielt man auf all den Budenzauber von Uncle Sam: ›Bleib bei uns, behüte und bewahre uns … ‹
Tech-Investor Peter Thiel, Schattenpräsident der USA und Feind der Demokratie und PayPal-Gründer, meint, Demokratie sei mit Freiheit nicht vereinbar. Seine Idee: Eine Klasse von Unternehmern soll über die Massen herrschen.
»Es lebe die Freiheit, verdammt!«
Solange wir den Baum der Wissenschaften durch die Zauberlehrlinge der Tech-Industrie und der Banken pflegen lassen, deren Produkte konsumieren und ihnen den Hof machen, brauchen wir auch keine Antikriegsfilme und investigative Reportagen. Und politisches Kabarett wird zunehmend zur Beichte, über die ich nicht mehr lachen kann. Wut und Frust über meine Teilnahme an diesem Turbo-Kapitalismus erobern mich. Alles kann gesagt werden, aber keiner will sich ändern.
Wer sich schuldig fühlt, wie Kevin Lomax (Keanu Reeves) in dem Film ›Im Auftrag des Teufels‹, der als junger Rechtsanwalt seinen schuldigen Mandanten herauspaukt, um seine gesellschaftliche Reputation als Anwalt und Salonbesucher nicht zu verlieren, dem möchte ich den Rat des Mephistopheles (Al Pacino) zuteilwerden lassen: »Schuld ist wie ein schwerer Sack voller Steine. Alles, was du tun musst, ist ihn abzusetzen.«
Ich persönlich nehme noch gerne ein Flaschl Sekt dazu.
»Es lebe die Freiheit, verdammt!«