Der Weg ist frei für Monopolkapitalisten, Oligarchen, Populisten in den unterschiedlichsten Kleidern und mit kruden Allmachtsphantasien, sich der Wähler zu bedienen.
Was tun?
Sollte man sich nicht gleich in einen Tesla setzen und Musk das Denken überlassen? Sein persönliches Stimmrecht der Wirtschaft überlassen, es verkaufen?
Sollte man das geringste Übel, aus Protest die AfD wählen, oder sollte man gar nicht wählen?
Allein die Unstimmigkeit in dieser Frage der Teilnahme am politischen Leben macht den Wähler und den Nichtwähler zum Spielball der politischen Mächte.
Es kommt doch nicht darauf an, die Spielregeln der Demokratie den beschränkten (bekloppten) Teilnehmern anzupassen, sondern darauf, die Teilnehmer damit zu konfrontieren, was notwendig ist, um das Trennende zu überwinden, im Sinne eines natürliche Universalismus.
So trifft der Wahlkampfleiter / Wahlkampfmanager / Stimmenjäger heute auf:
- die Vereinzelung der persönlichen Einbindung des Arbeitnehmers in die Arbeitswelt,
- die Verdrossenheit des Menschen wegen Verfremdung der Arbeitsleistung am Gesamtergebnis,
- die Sorgen der Eltern, alles zeitlich in den Griff zu bekommen, die horrende Miete zu bezahlen und sich um pflegebedürftige Elternteile oder Kinder zu kümmern,
- innere Empörung über die Rechte und Pflichten des Bürgers, die nicht gleichermaßen allen die eigenständige Existenz sichern.
Bis hierhin eigentlich nichts Neues. Aber seit kurzem bekommt es der Parlamentarismus noch mit:
- einer viel subtileren Bestimmung des Menschen zu tun – nichtbinäre Geschlechtsidentität, Transgeschlechtlichkeit usw. erweitern die Scheingestalten der zwischenmenschlichen Begegnungen –,
- einer elitären Anerkennungssucht der ewig religiösen Laizismusverächter und
- einem ekelerregenden Nationalismus, der unter kolonialem Gedächtnisschwund leidet.
Wen also wählen?
Gar nicht?
Ja, wenn man der herrschenden sozialen Ordnung und ihren Legitimierungsritualen die Stimme verweigert, weil man davon überzeugt ist, dass die aktuellen lebensbedrohlichen Ereignisse (Klimawandel und Hungersnot) unter den gegebenen Eigentumsverhältnissen nicht zu lösen sind.
Die Konsequenz aus diesem persönlichen Manifest sollte aber einhergehen mit der persönlichen Abdankung an die persönlichen Bequemlichkeiten, die sich aus den inkonsequenten Umsetzungen der politischen Ziele speisen. Sonst bist du ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle.
Wenn wählen, dann links, soweit es geht.
Vor zwei Jahren, am 15.01.2023, schrieb ich dem Bürgerbüro von Sahra Wagenknecht folgende Zeilen:
»Sehr geehrte Frau Wagenknecht, hallo, Team Wagenknecht!
- Als ich in Politischer Ökonomie des Kapitalismus an der Handelshochschule Leipzig 1982 in einer Klausur das Thema verfehlte, wusste ich noch nicht, wie sehr mich die Äußerung der jungen Dozentin, Frau Köhler, bis heute prägt. Sie gab mir eine schlechte Note und sprach: ›Ich hatte nicht danach gefragt, was Sie zu diesem Thema alles wissen.‹ Wenn Ursache und Wirkung, Ross und Reiter nicht genau benannt werden, fliegt uns die Befreiung des Menschen gemäß Ostrowski oder die Gestaltung des Übermenschen gemäß Nietzsche um die Ohren.
- In meinem zweiten Versuch, mir mal wieder alles von der Seele zu schreiben, nämlich in meinem Buch In Asymmetrie zur Schöpfung, kommen auch Sie vor, Frau Wagenknecht. Ich zitiere mich unter folgender Zwischenüberschrift auf Seite 82 f.: ›Die Politik braucht antikapitalistische Autoritäten. Haben wir nicht, im Keller aber vielleicht
Andreas Scheuer, Heinz-Christian Strache, Recep Tayyip Erdoğan, Donald P. Bellisario und Donald Trump erlaube ich mir stellvertretend als Antipoden der Wahrheit zu deklarieren. Da sind noch solche apologetischen Gespenster wie Steinmeier, Merkel und Schäuble. Sie sind die verdienten Helden der abgetakelten Demokratie. Sie ähneln in ihrem selbstherrlichen Verständnis den Aktivisten in der damaligen DDR, sind mit Leib und Seele Volksvertreter, aber offenkundig blind gegenüber denen, die die Macht finanzieren und sichern.
- Und wenn ich schon mal dabei bin: Gregor Gysi, Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine sind keinen Deut besser. Sie haben auch nur sich selbst gepredigt und ordentlich weggelassen vom Eingemachten, als wenn man sich des Kommunistischen Manifests schämen müsste. Sich hinsetzen und warten, dass die Not die Menschen in die linke Hälfte des Spielfeldes treiben wird, kann nicht funktionieren. Denn es wird keiner wirklich Kommunist, wenn keine Autorität da ist, die sich kreuzigen lässt, wenn es notwendig wird. Die Umkehr braucht die Abstimmung mit den Füßen und den Verzicht auf die Lüge. Und vor allem Weggefährten, die dieses Kreuz der Wahrheit mittragen.‹ (1) … Ich schreibe Ihnen, weil mir eine Stimme sagt, dass Sie auf dem richtigen Weg sind, wenn Sie sagen ›DIE LINKE braucht ein klares Profil‹.
Tun Sie es, aber verfehlen Sie das Thema nicht: Sie werden nicht umhinkommen, auch die Form der politischen Auseinandersetzung zu verändern.
Gegeben: Hunderttausende Akademiker im Elfenbeinturm, die sich in der Postdemokratie eingerichtet haben und sich eine Stimme wünschen, die authentisch und wahrhaftig ist. Dort schlummern Ihre Helfer, die müssen Sie als Multiplikatoren gewinnen. Lange sind die nicht mehr da, denn sie wachsen nicht nach.
Gesucht: Der Mensch, selbst das Ergebnis der objektiven Realität, der auf die Hegemonie außerhalb seiner natürlichen Zuhandenheit verzichtet. Es braucht Gefährten der Natur, die sich wissenschaftlich orientieren.
Lösung: Der wahrhaft Edle predigt nicht, was er tut, bevor er nicht getan hat, was er predigt. Tun Sie es, Gründen Sie eine eigene Partei. Fassen Sie sich kurz, es ist alles gesagt, wir müssen es einfach nur tun. Sie brauchen keine Fackeln im Sturm, sondern Teelichter der Wirklichkeit, die Schritt für Schritt die Spaß- und Kriegsgesellschaft ad absurdum führen.«
Sie schreiben in Ihrem Newsletter vom 16. Januar 2025: »Unser Land braucht Politiker mit Rückgrat, die sich für Diplomatie und Frieden einsetzen – kein wahnwitziges ›Aufrüsten für Donald‹, für das die AfD genauso steht wie Taurus-Merz, Panzer-Pistorius und die Sofakrieger von den Grünen. Unser Land braucht billige Energie und keine billigen Wahlversprechen. Es braucht Politiker mit Kompetenz, die unsere Interessen verteidigen, und keine Dilettanten oder Black-Rock-Lobbyisten. Und es braucht Politiker, die unseren Sozialstaat und die Meinungsfreiheit verteidigen und die sich für eine gerechte Leistungsgesellschaft mit guten Löhnen, bezahlbarem Wohnraum und einer würdevollen Rente einsetzen!«
Diese Situationsbeschreibung klingt plausibel, Frau Wagenknecht, aber programmatisch müssen Sie nun nachschieben, wie wir die Verwahrlosung und Verelendung unseres Zusammenlebens verändern können. Beginnen müssen wir mit der Aufarbeitung der Abhängigkeiten der politischen Verhältnisse von den Vermögens- und Einkommensgegebenheiten.
Worte wie Meinungsfreiheit, gerechte Leistungsgesellschaft, gute Löhne, Wohnraum, der bezahlbar ist, eine würdevolle Rente usw. sagen noch nichts darüber aus, wie das passieren soll.
Die politischen Systeme versagen, weil sie diese gesellschaftlichen Konflikte gar nicht verändern können, sondern sie im günstigsten Fall nur kommentieren. Je trivialer wir versuchen, Wähler zu gewinnen, umso einfacher wird für jeden die Antwort ausfallen, was er meint, tun zu müssen: Der Wähler erklärt sich die Welt willkürlich und mitunter auch aus einer Bierlaune heraus oder aus Mein Kampf.
Bildung, die uns eigentlich zwingt, wissenschaftlich zu arbeiten, verliert auf Grund des Durcheinanders von billigen, trivialen und subtilen Meinungen im World Wide Web und den darin vernetzten sozialen Medien ihre Kompetenz. Die Beliebigkeit der Standortbestimmung der Wähler der Gesellschaft wird zum postdemokratischen Bühnenstück und spannt selbst Akademiker ein, um die Große Plapperei zu unterstützen.
Der Altar, der Katheter, das Bundestagspult haben versagt.
Nietzsche warnt: »Weil Etwas für uns durchsichtig geworden ist, meinen wir, es könne uns nunmehr keinen Widerstand leisten – und sind dann erstaunt, dass wir hindurchsehen und doch nicht hindurch können! Es ist diess die selbe Thorheit und das selbe Erstaunen, in welches die Fliege vor jedem Glasfenster geräth.« (2)
Wir bekommen den Laden nicht in den Griff, wenn wir handeln, ohne vorher über die Konsequenzen im Kleinen wie im Großen nachgedacht zu haben. Dass uns diese Herangehensweise zu einer Abhängigkeit der Umstände (Determinismus) zwingt, wird uns kurzfristig als unfrei erscheinen lassen. Langfristig wird dieses Diktat der Natur unseren Geist von der Vorstellung befreien, wir könnten ein paar Millionen Jahre in Programme fassen.
Das ist ein bisschen so, wie: Jesus ist für uns gestorben. Wir müssten uns keinen Kopf mehr machen, was wir falsch gemacht haben. Es ist uns verziehen. Atheistisch formuliert: Die Natur weiß, was für uns Menschen gut ist. Lehn dich zurück. Zieh die Schuhe aus, wenn du ins Klassenzimmer gehst, es ist heiliger Boden.