Thema:

| von Lutz Richter

Der Preis des grenzenlosen Angebotes

Die Schülerspeisung zwischen Notwendigkeit und Work-Life-Balance

Prolog

Die Oberflächlichkeit, mit der wir die Erlebnisse und Ereignisse heute bewerten, wird das Leben nicht angenehmer machen, wenn es uns nicht sogar das Leben kosten wird. Denn von der richtigen Beurteilung des »Tagesgeschäftes« hängt es ab, ob die Arbeits- und Lebensbedingungen von morgen noch etwas mit dem Guten Leben zu tun haben.

Jeder Mensch hat verschiedene Möglichkeiten, sein Tun zu reflektieren. Jeder hat mit seinen speziellen Ausgangsbestimmungen (u.a. Einsicht in das Logbuch der elterlichen Erziehung) Kontakt zu ganz individuellen Ergebnissen anderer Lebensentwürfe. In jedem Fall ist die Person und alles, was daran hängt, das Produkt eines Eingebundenseins in eine höchst individuelle Raum-Zeit-Beziehung.

Der Anlass

Gestern trafen sich im Gymnasium Grimmen etwa vierzig Klassensprecher und der Essensanbieter Care & Cater, um gemeinsam über die Gemeinschaftsverpflegung an der Schule zu sprechen. Die Information des Essensanbieters an die Anwesenden, dass nur maximal 50 Schüler ihr Mittagessen in der Schule einnehmen, war unwichtig, weil bekannt. Und die Information, dass das Angebot eines fünften Menüs, ab 1.3. zu einem Sonderpreis von 4,50 Euro, nur fünf neue Essensteilnehmer erbracht hatte, schien kaum eine Reaktion in den Gesichtern hervorzurufen.

Im September 2025 – oder den Monaten danach – wird eine Garendküche im Wert von ca. 1,5 Millionen Euro im Gymnasium eröffnet werden. Der Träger, der Landkreis Vorpommern-Rügen, würde sich freuen, wenn sich diese Investition in der Zukunft auch rechnet. Ob es ein privater Caterer betreibt oder ob letztlich der Landkreis einen Eigenbetrieb daraus machen muss, in jedem Fall sollte es sich amortisieren.

Falsche Antwort

Wer an dieser Stelle sagt: »Was soll denn der Blödsinn, in der heutigen Zeit die Kartoffel wieder in der Schule zu kochen, wo sie gegessen wird? Den fehlenden Vitamin-C-Bedarf können wir auch mit Nahrungsergänzungsmitteln decken«, dem sei gesagt: Genau diese Antwort ist systemisch. Wir kaufen und verkaufen, wir bestellen und schmeißen weg, wir essen und trinken, was uns der Agrarindustriekomplex und seine Handlanger (einschließlich der Influencer) suggerieren. Und was, wo und wie wir essen, kann jeder selbst bestimmen, weil wir meinen, so was von frei zu sein. Derweil wird deklariert, umdeklariert, etikettiert, transportiert, weggeschmissen, subventioniert und garantiert beschissen.

Alles in Asymmetrie zur Schöpfung.

Die Lösung

Meine Mutter hat mehrere Anläufe gebraucht, um mich davon zu überzeugen, dass ich mitten in Berlin kein Moped brauche. Geboren war die Idee, weil mein Mitschüler Mecki so ein Teil hatte. Bei ihm stand es sogar manchmal in seinem Zimmer, und wenn was kaputt war, reparierte er es selbst. Ich wohnte in der neunten Etage und konnte kaum ein Bild aufhängen. Und wenn ich aus dem Fenster sah, konnte ich die S-Bahn und den Bus sehen und die U-Bahn hören.Zu meinem Sohn sagte ich unlängst: »Wenn meine Mutter drei Stunden in der Woche brauchte, um mir meinen Blödsinn auszureden, wirst du zehnmal so viel Zeit brauchen, um deinen Sohn einzunorden.«

Liebe Eltern, Ihre Kinder sind ein Pfund, mit dem man wuchern kann. Herzerfrischende, suchende Gesichter, aufgeweckt, wissbegierig. Ich war tief beeindruckt, wie die älteren Semester zu diesem Thema nach Orientierung riefen und trefflich analysierten.

Sie sollten Ihrem Kind schon erklären, warum der Schulbus das Maß für die Mittagessenszeiten an den ländlichen Schulen ist. Warum der örtliche Nahverkehr dahindümpelt, weil die Mobilität der Familien sich auf das Auto konzentriert. Warum die Busfahrer streiken und der Geschäftsführer des Essenslieferanten an diesen Tagen seine Mitarbeiter persönlich zur Arbeit fahren muss.

Sie sollten Ihren Kindern verbieten, Süßigkeiten zu essen und Energydrinks zu konsumieren, nicht weil Sie Despoten sind, sondern weil Sie sie lieben und nicht möchten, dass sie Herzkreislauferkrankungen oder Morbus Crohn bekommen und dann Medikamente nehmen müssen, die total uncoole Nebenwirkungen haben. Vitamin-C-Mangel ist dabei das geringste Übel.

Ohne Orientierung an den natürlichen Gegebenheiten, ohne Kritik an der Zerstörung der Lebensgrundlagen auf der ganzen Welt kann der Schüler nicht ins Berufsleben entlassen werden. Gebt den Kindern einen Rahmen, sonst werden sie physisch und vor allem psychisch krank. Sie müssen ihnen Vorbild sein und vor allem verzichten, auch wenn Sie meinen, es sich leisten zu müssen.

Das Kind, so wie es vor Ihnen steht und redet, erläutert ja schon, was es heißt, »in der Welt zu sein«. Was steht denn nun Ihrem Kind bei der Selbstfindung im Dasein zur Verfügung?

Was für einen Wissenshorizont können Sie für die Erläuterung bzw. Erklärung heranziehen? Sie müssen sich schon die Mühe machen und sich selbst in den Bildungshorizont setzen.

Schieben Sie es nicht auf die Schule. Die Lehrer sind abhängig vom Mainstream und wünschen sich eben auch ein wenig Sicherheit. Der Tag will für diese Gladiatoren am Abend gelebt sein.

Die vierzig Schüler gestern, am 24.3.2025, wünschten sich von Schule und Eltern klare Ansagen, Grenzen für sich selbst. Es fielen auch die Worte »Aufklärung« und »verbieten«.

Lutz Richter

P.S.: Die Ganztagsschule ist verpflichtet, Mittagessen anzubieten.
Wenn aber keiner hingeht, was ist das dann?
Wohlstandsverwahrlosung?

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